Umfrage zur Wahrnehmung der Katastrophe von Fukushima

Sehr geehrte Leserinnen und Leser, ich möchte Ihnen bereits an dieser Stelle für Ihr Engagement danken, das Sie mit dem Aufruf dieser Seite zeigen.

Die folgende Umfrage dient dem Zweck, das Interesse der Umfrageteilnehmer an dem Atomunglück von Fukushima zu ermitteln, zu hinterfragen, ob die Katastrophe in Deutschland noch immer ein Gesprächsgegenstand ist und ob sich die Haltung gegenüber einem Aufenthalt in Japan, anderthalb Jahre nach der Katastrophe, geändert hat. Zu den Befragten zählen größtenteils Studenten der Japanologien in Deutschland. Dennoch sind sämtliche Leser dieses Blogs dazu eingeladen, an der Umfrage teilzunehmen.

Verantwortlich für die Durchführung und Auswertung der Umfrage ist der Inhaber des Blogs „Fukushima 24/7“. Die Umfrage verfolgt, wie der Blog selbst, keinen kommerziellen Zweck. Das Ergebnis der Umfrage wird zeitnah auf diesem Blog veröffentlicht und sieht von der Veröffentlichung von Einzelergebnissen ab, um Ihre Anonymität zu gewähren. Falls Sie sich dennoch bei bestimmten Fragen in ihrer Privatsphäre verletzt fühlen, können Sie diese unbeantwortet lassen.

Die Umfrage beinhaltet 18 Fragen, deren Beantwortung maximal fünf Minuten in Anspruch nimmt. Außer bei den ersten drei Fragen zu Ihrer Person sind die Antwortmöglichkeiten vorgegeben. Bitte wählen Sie die für Sie passenden Antworten aus und streichen Sie die nicht zutreffenden.

Zur Auswertung bitte ich Sie, Ihre Antworten inkl. der zugehörigen Fragen an die Mail-Adresse fukushima247@googlemail.com zu schicken. Bei Rückfragen und Problemen wenden Sie sich bitte an dieselbe Mail-Adresse.

Der Einsendeschluss ist der 30. September 2012.

Das zerstörte Reaktorgebäude 3 des AKWs Fukushima Daiichi. (flickr/IAEA)

  1. Geschlecht
  2. Alter
  3. Nationalität
  4. Wie informieren Sie sich über die aktuelle Lage der Atompolitik Japans? [Mehrfachantworten möglich]
  5. Zeitung, Radio und/oder Fernsehen inkl. Internetauftritt | Blogs | Öffentliche Ämter (Verbraucherzentrale) | NGOs (Greenpeace) | Fachbücher | Freunde und Verwandte | Ich informiere mich nicht.

  6. Die Nuklearkatastrophe von Fukushima ist in meinem Umfeld noch immer ein Gesprächsthema.
  7. Stimme völlig zu | Stimme zu | Weiß nicht | Stimme nicht zu | Stimme gar nicht zu

  8. Trotz des Reaktorunglücks von Fukushima kommt für mich eine Reise nach Japan in Frage.
  9. Stimme völlig zu | Stimme zu | Weiß nicht | Stimme nicht zu | Stimme gar nicht zu

  10. Im Falle eines Aufenthalts in Japan meide ich die Metropole Tokio aufgrund deren Nähe zum Atomkraftwerk Fukushima.
  11. Stimme völlig zu | Stimme zu | Weiß nicht | Stimme nicht zu | Stimme gar nicht zu

  12. Im Falle eines Aufenthalts in Japan warnen mich Freunde und Familie vor den gesundheitlichen Risiken.
  13. Stimme völlig zu | Stimme zu | Weiß nicht | Stimme nicht zu | Stimme gar nicht zu

  14. Im Falle eines Aufenthalts in Japan achte ich beim Einkauf auf die Herkunft der Lebensmittel.
  15. Stimme völlig zu | Stimme zu | Weiß nicht | Stimme nicht zu | Stimme gar nicht zu

  16. Das gesundheitliche Risiko eines Aufenthalts in Japan ist heute genauso niedrig, wie vor dem Unglück von Fukushima.
  17. Stimme völlig zu | Stimme zu | Weiß nicht | Stimme nicht zu | Stimme gar nicht zu

  18. Der Umgang mit Atomkraft durch Vertreter aus Politik und Wirtschaft ist in Deutschland sicherer als in Japan.
  19. Stimme völlig zu | Stimme zu | Weiß nicht | Stimme nicht zu | Stimme gar nicht zu

  20. Die Informationen der Regierung und Medien Japans zur eigenen Atompolitik sind zuverlässig.
  21. Stimme völlig zu | Stimme zu | Weiß nicht | Stimme nicht zu | Stimme gar nicht zu

  22. Die Gefahr einer radioaktiven Kontamination in Japan besteht auch außerhalb der Sperrzone um das Kraftwerksgelände von Fukushima.
  23. Stimme völlig zu | Stimme zu | Weiß nicht | Stimme nicht zu | Stimme gar nicht zu

  24. Ich bin zuversichtlich, dass von dem Kraftwerk Fukushima Daiichi keine Gefahr mehr ausgeht.
  25. Stimme völlig zu | Stimme zu | Weiß nicht | Stimme nicht zu | Stimme gar nicht zu

  26. Ich mache mir Sorgen um die Zukunft Japans aufgrund des Unglücks von Fukushima.
  27. Stimme völlig zu | Stimme zu | Weiß nicht | Stimme nicht zu | Stimme gar nicht zu

  28. Die Katastrophe von Fukushima war verheerender, als der Unfall von Tschernobyl.
  29. Stimme völlig zu | Stimme zu | Weiß nicht | Stimme nicht zu | Stimme gar nicht zu

  30. Aufgrund des Reaktorunglücks von Tschernobyl achte ich beim Kauf von Lebensmitteln in Deutschland auf deren Herkunft.
  31. Stimme völlig zu | Stimme zu | Weiß nicht | Stimme nicht zu | Stimme gar nicht zu

  32. Von Stör- und Unfällen, wie wir sie von Tschernobyl und Fukushima kennengelernt haben, sind deutsche Kernkraftwerke nicht betroffen.
  33. Stimme völlig zu | Stimme zu | Weiß nicht | Stimme nicht zu | Stimme gar nicht zu

      Ich danke Ihnen für Ihre Teilnahme und die Zeit, die Sie für die Beantwortung der Fragen investiert haben. Bei Anregungen und Kommentaren können Sie diese an die genannte Mail-Adresse (fukushima247@googlemail.com) schicken.

Das vorläufige Ende eines atomfreien Japans

Japan fährt wieder hoch. Am kommenden Sonntag wird der Kraftwerksbetreiber Kansai Electric (KEPCO) Reaktor Nummer 3 des Atomkraftwerks Oi in der Präfektur Fukui wieder in Betrieb nehmen. Reaktor Nummer 4 soll wenig später folgen. Damit währte die Zeit eines atomfreien Japans nur für kurze Zeit. Seit dem 6. Mai 2012 waren alle Kraftwerke aufgrund von Stresstests und Wartungsarbeiten heruntergefahren, nachdem die Katastrophe von Fukushima im März 2011 die Atompolitik in ihren Grundfesten erschütterte. Durch Proteste von Bevölkerung und Politikern gegen die Wiederinbetriebnahme der Kraftwerke kam das Land fast zwei Monate ohne Atomstrom aus. Mit dem erneuten Hochfahren erreichen die Proteste der Atomkraftgegner einen neuen Höhepunkt.

Am 29. Juni 2012 protestierten zehntausende Japaner gegen die Wiederinbetriebnahme des AKW Oi. (AFP)

„Aus Unmut über den geplanten Neustart von zwei Atomreaktoren sind Zehntausende Demonstranten in Tokio auf die Strasse gegangen. Nach Angaben der Veranstalter versammelten sich sogar rund 150.000 Menschen“, schreibt die Basler Zeitung. Angesichts dieser Menschenmasse überbot man den Protest von September 2011 um das 2,5-fache, als die Veranstalter eine Masse von 60.000 Menschen heraufbeschwörten, um gegen Atomkraft und das träge politische System zu demonstrieren. Damals setzten die Protestierenden ein Zeichen für das Umdenken in der Gesellschaft und den Wechsel von kollektiver Verantwortung auf die politische Meinung des Einzelnen. Dieses Mal ist es mehr als ein Fingerzeig bürgerlicher Entrüstung. Es sind bedeutende Massenproteste geworden, die um das politische Mitbestimmungsrecht des Volkes kämpfen.

Protestiert wurde nahe des Amtssitzes von Premierminister Yoshihiko Noda, denn er ist der Mann, der grünes Licht für die beiden Reaktoren des AKWs Oi gab. Seit März protestieren die Atomkraftgegner in ganz Japan. Den größten Zulauf gibt es auf den Straßen in der Millionenmetropole Tokio. Beliebtester Treffpunkt ist seither der Amtssitz Nodas, dessen Bewilligung zum Hochfahren neue Kräfte bei den Atomkraftgegnern mobilisierte. Denn die Sorge um einen weiteren nuklearen Unfall hat sich seit Fukushima fest in den Köpfen der Japaner verankert. „Ein weiterer Atomunfall wird das Ende von Japan sein», meint ein 62-jähriger Japaner und spricht damit aus, wovor sich ein Großteil der Bevölkerung fürchtet. Ein anderer stellt die Aufrechterhaltung der Protestbewegung in den Vordergrund: „Wenn wir jetzt nicht unsere Stimme erheben, dann ist das so, als würden wir dem Entscheid Nodas zustimmen.“

Die Widerstände beschränken sich nicht nur auf die Massenproteste, auch in der eigenen Partei Nodas entwickelte sich eine Opposition. In einer schriftlichen Petition mahnten 117 Abgeordnete seiner Demokratischen Partei (DPJ) zu großer Vorsicht bei der Wiederinbetriebnahme der Kraftwerke. Die politische Führung ist gespalten. Neun Gouverneure und Bürgermeister im Umkreis des Kraftwerks Oi hatten sich für den Neustart der Reaktoren 3 und 4 ausgesprochen. Zwei machten wenig später einen Rückzieher aufgrund heftiger Kritik aus den eigenen Reihen. Die Gouverneure der Präfekturen Shiga und Kyoto forderten nach einiger Bedenkzeit nach mehr Sicherheit und Pläne für den Ausstieg aus der Atompolitik. Außerdem tendierten sie nur zu einem temporären Neustart des AKWs Oi, um für den hohen Energieverbrauch der heißen Sommermonate auszusorgen.

Es sind jene Monate, die Wirtschaft und Atomlobby als Druckmittel nutzen, denn ihr Hauptargument bleibt, Japan würde ohne Atomstrom an Stromknappheit und hohen wirtschaftlichen Verlusten leiden. Anders als Naoto Kan, der sich als Premierminister während der Katastrophe gegen die Atomlobby stellte, argumentiert Noda gegen den sofortigen Ausstieg: „Die japanische Wirtschaft und der japanische Lebensstil würden einen sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie nicht vertragen.“ Die Opposition kontert hingegen mit der öffentlichen Meinung: “Der Großteil der Öffentlichkeit ist der Meinung, dass Japan die Energiebedürfnisse des Sommers durch Sparen und Flexibilität überwinden sollte.”

Yoshihiko Noda, seit dem 2. September 2011 Ministerpräsident Japans. Anders als sein Vorgänger Naoto Kan tendiert er gegen den sofortigen Atomausstieg.

Zwar haben sich die Auflagen für die Wiederinbetriebnahme der AKWs geändert, indem strengere Tests durchgeführt werden und der Neustart nur im Einvernehmen der lokalen Behörden und zuständigen Minister erfolgt, doch an Sicherheitsstandards mangelt es nach wie vor. Entscheidungswege sind noch immer undurchsichtig, „viele versprochenen bauliche Sicherheitsmaßnahmen noch gar nicht existent“, wie Asienspiegel berichtet. Tokio erschafft einen „neuen Mythos der Sicherheit“, klagt Hirohiko Izumida als Gouverneur der Präfektur Niigata, die mit Kashiwazaki-Kariwa das leistungsstärkste AKW der Welt beherbergt. Izumida wird zu einem hartnäckigen Gegenspieler, sollte die Wiederinbetriebnahme aller 48 verbleibenden Kernreaktoren debattiert werden. Doch bis dahin will die Regierung mit der Nuklearen Regulierungsbehörde eine neue Kontrollinstanz schaffen. Bis diese allerdings erste Entscheidungen treffen kann, können weitere zehn Monate vergehen.

Dass Japan eine Energiereform benötigt, steht außer Frage. Vier Szenarien hat das japanische Wirtschaftsministerium (METI) entwickelt, die alle den Anteil der Atomkraft an der Energieproduktion des Landes bis 2030 senken. Vor Fukushima deckte dieser 30 Prozent des Energiehaushaltes. Zur Auswahl stehen 15 und 25 Prozent, der komplette Atomausstieg oder die Ausrichtung auf die Nachfrage der Wirtschaft, ohne prozentuale Werte vorzugeben. Noch diesen Sommer soll eine Entscheidung fallen. Wie sich die Regierung auch entscheiden wird, die Ausrichtung auf den Bedarf der Wirtschaft ist am wahrscheinlichsten, denn ohne feste Grenzen wäre die Auslastung der AKWs erneut den Befürwortern von Atomkraft überlassen.

Quellen und weiterer Lesestoff:

Wichtige Begriffe – Die Zusammenfassung als Grundverständnis

Nach nunmehr 17 Artikeln zur Atompolitik Japans und den Folgen der Dreifachkatastrophe möchten wir mit diesem Artikel eine Basis schaffen, die es unseren Lesern ermöglicht, leichteren Zugang zu vergangenen und künftigen Artikeln auf Fukushima 24/7 zu erhalten. Als überschaubare Zusammenfassung gedacht, thematisiert der Artikel Akteure, Organisationen, Regionen und andere Begriffe, die dem Grundverständnis für diese Thematik dienen. Die Zusammenfassung ist ab sofort innerhalb des oberen Reiters „Wichtige Begriffe“ zu finden und wird von Zeit zu Zeit mit weiteren Begriffen aktualisiert.

Akteure

  • Naoto Kan – Vom vierten Juni 2010 bis zum zweiten November 2011 begleitete er das Amt des Premierministers und war Mitbegründer der Demokratischen Partei (DPJ) von Japan. Während der Katastrophe richtete er einen Krisenstab ein, dessen Führung und Organisation er übernahm. Vor seinem Rücktritt widmete er sich dem Krisenmanagement, Wiederaufbaumaßnahmen und verabschiedete ein Gesetz für erneuerbare Energien.
  • Yoshihiko Noda – Seit dem 2. September übernahm er das Amt des Premierministers und stellte sich damit der Aufgabe des Wiederaufbaus Japans. Einer ähnlichen Intention Naoto Kans folgend, begrüßt auch er den Ausbau erneuerbarer Energien, auch wenn seine Stimme nicht ausreicht, Japan zum Austritt aus der Atompolitik zu bewegen. Seit 1998 identifiziert er sich mit der Demokratischen Partei (DPJ).
  • Masataka Shimizu – Als Präsident TEPCOs wurde ihm die größte Verantwortung zur momentanen Situation Japans aufgeladen. Durch mangelnde Transparenz, drastische Sparmaßnahmen und der Vernachlässigung von Sicherheitsvorkehrungen der Kernkraftwerke TEPCOs schrieben ihn Medien und Gesellschaft die Schuld an der Atomkatastrophe zu. Sein einmonatiges Verschwinden aus der Öffentlichkeit nach dem 11. März sorgte für große Entrüstung bei dem japanischen Volk. Am 20. Mai 2011 trat er von seinem Amt als Präsident des Unternehmens zurück. –> Weitere Informationen

Naoto Kan als Premierminister Japans während des G20-Gipfels von 2010.

Organisationen und Unternehmen

  • TEPCO – Die Tokyo Electric Power Company (TEPCO) ist ein Energiekonzern Japans, zu dessen Einzugsbereich der Großraum Tokio zählt. Im Jahr 1951 entsprang das Unternehmen aus der Privatisierung zuvor verstaatlichter Betriebe. Weltweit zählte TEPCO zu den wirtschaftlich stärksten Unternehmen und befasst sich neben Kernreaktoren auch mit anderen Energieformen wie Wasser- und Windkraft oder Verbrennungskraftwerken. Zu dem Unternehmen gehören die Kraftwerke Fukushima I und Fukushima II, sowie das leistungsstärkste Kernkraftwerk der Welt: Kashiwazaki-Kariwa. Bereits im 20. Jahrhundert mehrten sich kritische Vorfälle, die aufgrund mangelnder Transparenz des Energiekonzerns nicht an die Öffentlichkeit drangen. Erst innerhalb der letzten Jahre und Jahrzehnte wurden vermehrt Dokumente aufgedeckt, die von einer korrupten und risikofreudigen Arbeitsweise des Unternehmens zeugen. Weitere Informationen.
  • IAEO – Die Internationale Atomenergie-Organisation ist eine autonome Organisation und kooperiert mit den Vereinten Nationen (UN). Sie liefert dem Sicherheitsrat und der Generalversammlung der UN Informationen, sofern internationale Gesetze zur atomaren Sicherheit gefährdet sind. Laut eigenem Verständnis sieht die IAEO ihre Aufgabe darin, den Beitrag der Kernenergie zu Frieden, Gesundheit und Wohlstand weltweit zu beschleunigen und zu vergrößern. Die Organisation versucht zwar die militärische Nutzung von atomaren Technologien zu unterbinden, versucht allerdings die Anwendung radioaktiver Stoffe zu verbreiten. Während der Atomkatastrophe in Fukushima stellte sie ein Expertenteam zusammen, um den Schaden der Kontamination einzuschätzen. Durch undurchsichtige Messwerte und beschönigende Analysen zu den gesundheitlichen Risiken der Katastrophe, wurde die IAEO stark kritisiert.
  • NISA – Die Aufgabe der Japanischen Atomaufsichtsbehörde ist es, als Behörde die Sicherheit der japanischen Bevölkerung vor atomaren Risiken zu gewährleisten. Eng mit dem bürokratischen Geflecht Japans verbunden und unterstützt von der Japanischen Nuklearenergiesicherheits-Organisation (JNES), stößt auch die NISA auf Kritik hinsichtlich beschönigender Analysen zu atomaren Risiken.

Das Atomkraftwerk Fukushima I. Im Vordergrund der Reaktorblock 1. (Copyright © Kawamoto Takuo, Lizenz: CC BY 2.0)

Städte und Regionen

  • Fukushima – Fukushima ist der Name einer Präfektur in Japan, die sich auf der Hauptinsel Honshû im Süden der Region Tôhoku befindet. Die Präfektur hatte Anfang 2012 etwa zwei Millionen Einwohner und wurde aus verwaltungstechnischen Gründen in die drei Regionen Hamadôri, Nakadôri und Aizu eingeteilt. Alle drei Regionen sind von verschiedenen klimatischen Bedingungen und Geographien geprägt. Während Aizu als abgelegenes Hochgebirge gilt und Hamadôri als Flachland mit Meeresklima beschrieben wird, ist Nakadôri das kultruelle Zentrum, das mitunter die Hauptstadt Fukushima der gleichnamigen Präfektur beherbergt. Am Pazifik liegen die Kernkraftwerke Fukushima I und Fukushima II.
  • Ôkuma, Futaba, Namie – Die drei Städte umfassen insgesamt eine Einwohnerzahl von schätzungsweise 50.000 Menschen, auch wenn sich nach offiziellen Angaben kein Japaner in den Kleinstädten aufhält. Es handelt sich um Geisterstädte, die nordwestlich von Fukushima I liegen und aufgrund der Windverhältnisse während der Katastrophe am stärksten von den radioaktiven Partikeln kontaminiert wurden. Im April 2012 erklärte die japanische Regierung die Kleinstädte zur Sperrzone, die innerhalb der nächsten 20 Jahre nicht mehr betreten werden kann. Futaba und Namie weisen Strahlenwerte von über 50 Millisievert pro Jahr auf. Eine Belastung, die die Regionen vorerst unbewohnbar machen, denn selbst nach 20 Jahren werden alle drei Städte den gesetzlichen Rahmen von 20 Millisievert überschreiten.
  • Sendai – In der japanischen Präfektur Miyagi in der Region Tôhoku gelegen, ist Sendai eine Großtstadt mit über einer Million Einwohner. Während des Großbebens vom 11. März wurde die Küstenregion der Stadt durch den Tsunami schwer verwüstet und hatte etwa 700 Tote und 200 Vermisste zu beklagen. Zahlreiche Videoaufnahmen und Bilder stammten aus Sendai, um die Zerstörungskraft der Wassermassen zu dokumentieren.

Die Küstenregion der Großstadt Sendai nach dem Tsunami.

Messeinheiten zur radioaktiven Belastung

  • Sievert (Sv) – Sievert ist die Maßeinheit für Strahlendosen und wird zur Bestimmung der Strahlenbelastung auf Lebewesen herangezogen. Da 1 Sievert bereits von einer überdurchschnittlich hohen Strahlung zeugt, werden kleinere Einheiten wie Millisievert (mSv) und Mikrosievert (µSv) genutzt. Als Vergleich zur Bewertung von Strahlenrisiken dient die natürliche Strahlenbelastung, die in Deutschland 2,4 mSv pro Jahr entspricht. Bereits eine Dosis von 100 mSv führt zu stark erhöhtem Krebsrisiko, während 250 mSv zu akuten Strahlenerkrankungen führen können. Eine Strahlung von 4000 mSv führt bei jeder zweiten Person zum Tod, wobei 7000 mSv, also sieben Sievert, keine Überlebenschancen garantieren. Nach der Katastrophe wurde die Stahlenbelastung von Schulkindern in Japan auf 20 mSv pro Jahr angehoben, auch wenn die Regierung diese Werte als unbedenklich einschätzt. Für die Mitarbeiter TEPCOs, die mit der Krisenbewältigung in Fukushima beauftragt wurden, erhöhte man die jährliche Dosis von 100 mSv auf 250 mSv.
  • Becquerel (Bq) – Diese Einheit bezeichnet die Aktivität eines radioaktiven Stoffes und gibt die durchschnittliche Anzahl der Atomkerne an, die pro Sekunde radioaktiv zerfallen. Anders als Sievert entspricht 1 Bequerel einem relativ geringem Wert, sodass die Einheit meist mit Vorsätzen wie Kilo oder Mega auftritt. Ein Kilogramm Kalium hat eine (Radio-)Aktivität von etwa 32.000 Becquerel. Die Menge des im menschlichen Körper enthaltenen Kaliums zeugt von einer Aktivität von 5.000 Becquerel. Das natürliche in Mineralien auftretende Element Uran hat eine Aktivität von 12,45 Millionen Becquerel pro Kilogramm.

Die grafische Darstellung eines Druckwasserreaktors mit getrennten Wasserkreisläufen. (Copyright © San Jose, Lizenz: CC BY 3.0)

Verbreitete Karftwerkstypen

  • Druckwasserreaktor (DWR) – Dieser Kraftwerkstyp findet weltweit am häufigsten Verwendung und wird mehrheitlich von europäischen Industrieländern wie Deutschland und Frankreich genutzt. Anders als beim Siedewasserreaktor (SWR) verfügt dieser Typ über mehrere Wasserkreisläufe. Das durch die Brennstäbe erhitzte Wasser und der erzeugte Wasserdampf kommen nicht mit den Turbinen in Kontakt. Das kontaminierte Wasser hat einen separaten Wasserkreislauf und durchströmt nur einen Teil des Kraftwerks, um den zweiten Wasserkreislauf zu erhitzen.
  • Siedewasserreaktor (SWR) – Das Kühlsystem des SWR ist mit mehr Risiken verbunden, da das mit den Spaltprodukten versetzte Wasser direkt mit den Turbinen in Kontakt tritt. Im Gegensatz zum DWR nutzt dieser Kraftwerkstyp weniger Wasserkreisläufe. Siedewasserreaktoren wurden zu großen Stückzahlen in Japan gebaut. Durch die Kontaminierung der Turbinen stoßen Wartungs -und Reinigungsarbeiten häufig auf Probleme und gesundheitsgefährdende Risiken.
  • Brutreaktor – Ein Brutreaktor stellt mehr Energie als ein DWR oder SWR bereit, sorgt neben der Energiegewinnung aber auch zur Erzeugung von spaltbarem Brennmaterial. Zwar erzeugt jeder Kernreaktor Spaltprodukte, doch wird in einem Brutreaktor mehr Material erzeugt, als er zur Energiegewinnung benötigt. Der Reaktortyp wird aufgrund seiner höheren Sicherheitsrisiken und der Erzeugung von waffenfähigem Plutonium als riskant eingestuft. Dennoch plante Japan vor dem Unglück von Fukushima, diese Reaktortechnik im eigenen Land weiter auszubauen, da auf kleinerem Raum größere Energiemengen erzeugt werden. Zur Energiegewinnung und zu Forschungszwecken nutzen heute die USA, Russland, die Volksrepublik China und Indien diese Art von Reaktor.

Quellen:

TEPCO – Teil 1: Die Hintergründe langjähriger Verschwiegenheit

Bringt man den Namen TEPCO ins Gespräch fallen die Worte Fukushima, Atomkraft und Misstrauen auf den nächsten Augenblick, während  die Verflechtung von Politik, Wirtschaft und großzügigem Risikomanagement assoziiert wird. Kein anderes Unternehmen schaffte es im letzten und in diesem Jahr für so viel Gesprächsstoff, der nicht durch Ruhm, Engagement und Innovation geschuldet war. Die Aktiengesellschaft als größtes Energieversorgungsunternehmen Japans, mit vollem Name „Tokyo Electric Power Company“, wird auch heute noch von den Medien aufgegriffen, um ein Vorzeigebeispiel für Verantwortungslosigkeit und desaströser Informationspolitik zu erzeugen.

Ein Foto des Kohlekraftwerks Senjû in den 1940ern. (Quelle: Japanese book "Archives for the Tokyo downtown area 100 years" published by Life Information Center.)

Doch TEPCOs eigentümliche Firmenpolitik wurde nicht erst durch den nuklearen Unfall von Fukushima I bekannt. Bereits Jahre zuvor fiel der Konzern immer wieder im Schatten der Medien durch Vertuschungen und Unglaubwürdigkeit auf, konnte sein Gesicht allerdings über Jahrzehnte hinweg wahren. Das „Tôhoku-Beben“ bildet letztendlich den Katalysator. Eine Vielzahl begieriger Medienunternehmen stürzten sich auf den Energieversorger und stimmten in einer gemeinsamen Parole ein, dem Unternehmen sei nicht zu trauen. Der 11. März legte damit den Grundstein, die Fehler der Unternehmensleitung weltweit zu offenbaren und sich über die Grenzen Japans auszuweiten.

Dabei wurde zur Gründung des Unternehmens am 11. Mai 1951 eine solide Ausgangsbasis geschaffen, die dem Energiekonzern auch mit genügend Transparenz zu positivem Glanz verholfen hätte. Kurz vor dem 2. Weltkrieg wurden alle stromerzeugenden Betriebe Japans verstaatlicht und im Verlaufe des Krieges zu neun großen Staatsunternehmen zusammengefasst. Als sich nach der Kapitulation Japans die Besatzungsmächte für eine neue politische Struktur aussprachen, folgte im Mai 1951 die Privatisierung der Unternehmen. Ausgestattet mit regionalen Monopolen lag es nun in der Hand dieser neun Unternehmen, ihr Land mit Energie zu versorgen. TEPCO selbst gewann im Laufe der Jahre die Oberhand und zählt bis vor der Katastrophe 2011 zu den weltweit umsatzstärksten Unternehmen, die sich gar den 136. Platz unter den Fortune 500 erkämpften.

So ist es fast überflüssig, den Konzern als größten Energieproduzenten Japans darzustellen, der 27 Prozent des Energiebedarfs seines Landes deckt. Insbesondere die Metropole Tokio zählt zu seinem Zuständigkeitsbereich, womit 45 Millionen Menschen auf den Energielieferanten angewiesen sind – mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung Japans. Seit 2009 zählt die Tokyo Electric Power Company 160 Wasserkraftwerke und 25 Verbrennungskraftwerken durch Öl, Kohle und Erdgas, sowie je ein Geothermie- und Windkraftwerk denen eine vergleichsweise marginale Rolle zukommt. Nicht zu vergessen die Technologie, die das Unternehmen ohne deren Verwendung vermutlich in ein positiveres Licht gerückt hätte: Die drei Kernkraftwerke Fukushima Daiichi, Fukushima Daini und Kashiwazaki-Kariwa mit insgesamt 17 Atomreaktoren.

Der Hauptsitz TEPCOs in Tokio, aufgenommen im April 2007. (Copyright © PON, Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Spätestens im August 2002 drangen erstmals Dokumente an die japanische Öffentlichkeit, die den Schein TEPCOS, als sicheres und glaubwürdiges Unternehmen aufzutreten, stark trübten. Die japanischen Medien sprachen von gefälschten Berichten, bewusst verzögerten Reparaturen und dem Nichterfüllen gesetzlich vorgeschriebener Meldungen von Störfällen. Mindestens 16 Jahre schafften die Verantwortlichen TEPCOs, das mediale Aufbegehren gegen den Energieversorger zu unterbinden. Nach der Enthüllung wurden Ämter neu besetzt, die nur wenig der unterdrückten Meldepflicht entgegensetzen konnten. So wurden mindestens sechs Notabschaltungen und eine siebenstündige kritische Reaktion in Block 3 von Fukushima I verschwiegen. Ein Schaden durch Erdbeben und mangelnde Wartung folgte auf den nächsten, ein routinierter Test führte im Mai 2008 in Block 6 zum Ausfall mehrerer Kühlsysteme und als am 1. März 2011 die japanische Atomaufsichtsbehörde (NISA) eine Inspektion initiierte, kamen weitere Übel zutage, die sich in mangelnden Kontrollen technischer Geräte über Jahre hinweg äußerte. Sie bildeten den Ausgangspunkt für die nukleare Katastrophe.

Nehmen wir uns an dieser Stelle die Zeit und überdenken die Frage, ob TEPCO ohne Atomkraft diesem Desaster entgangen wäre. Da sich bei einer kurzen Recherche ausschließlich Störfälle innerhalb der atomaren Kraftwerke finden lassen und diese Technologie als weitaus komplexer und damit risikoträchtiger als andere Kraftwerke angesehen wird, folgt eine klare Antwort: Ohne Atomkraft hätte sich TEPCO als Energielieferant besser verdient gemacht. Doch trifft es angesichts der Sicherheitsmängel einzig dieses Unternehmen? Es müsste nahezu als „Glückstreffer“ gewertet werden, dass gerade dieses Unternehmen von einer Katastrophe dermaßen herausgefordert wird, dass es Störfälle nicht mehr verheimlichen kann. Bei weiterer Recherche lässt sich allerdings feststellen, dass TEPCO keine Ausnahme in Sicherheitsmängeln und mangelnder öffentlicher Aufklärung bildet. Stünde Fukushima Daiichi unter der Verwaltung eines anderen Energiekonzerns Japans, so hätten sich voraussichtlich dieselben dramatischen Stunden abgespielt und nicht TEPCO, sondern KEPCO, Hokuden und die Namen anderer Konzerne stünden in den Schlagzeilen der letzten Monate.

Das Atomkraftwerk Fukushima Daiichi im Jahr 2007. (Copyright © KEI, Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Die Sicherheitslücken der Tokyo Electric Power Company dürfen an dieser Stelle nicht vernachlässigt werden, denn zählt man die Stör- und Unfälle der Kraftwerke anderer Betreiber zusammen, bildet TEPCO noch immer die oberste Spitze. Handelt es sich nun um ein japanisches Phänomen? Können wir diese Haltung mit den einfachen japanischen Stereotypen Verschwiegenheit, Intransparenz und übermäßigem Stolz vereinbaren? In keinerlei Hinsicht, denn Störfälle sind ein weltweites Phänomen von Atommeilern, von denen sich jeder allzu gerne der Verantwortung entziehen möchte. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Die finanziellen Interessen überwiegen; und nehmen wir stichprobenartig ein deutsches Atomkraftwerk, so füllen die Störfälle bereits eine ganze Seite.

Dieser Absatz möchte zeigen, dass man in Sachen Sicherheitsbedenken und Verantwortungsentzug nicht einzig japanische Unternehmen und TEPCO einzukreisen hat. Dennoch lässt dieser Abschnitt vorerst keine weiteren Schlussfolgerung angesichts der verhältnismäßig kurzen, stichprobenartigen Recherche zu.

Atomenergie & Japan – Teil 2: Was geschah bei Fukushima Daiichi?

Im zweiten Teil unseres Artikels werden wir noch einmal die Ereignislage des Kernkraftwerks Fukushima Daiichi seit der Schnellabschaltung der Kernreaktoren am 11. März 2011 aufarbeiten. Für diese Analyse fassen wir sämtliche wichtigen Ereignisse, die mit dem Ausfall der Reaktoren unmittelbar in Verbindung stehen, zusammen. Die Zusammenfassung bezieht ihre Informationen in großem Maße auf die von der Wikipedia bereit gestellte „Chronik der Nuklearkatastrophe von Fukushima„. Wir entschieden uns zwecks des besseren Verständnisses und einer lückenlosen Zusammenfassung ebenfalls für eine chronologische Analyse. Sollten Sie darauf Wert legen, das Ereignis in all seiner Breite zu erfassen, empfehlen wir Ihnen einen Blick auf unsere genannten Quellen zu werfen. Außerdem empfiehlt es sich, die speziell auf Fukushima ausgerichtete Dokumentation der vom ZDF produzierten Wissenschaftssendung „Abenteuer Forschung“ mitzuverfolgen, die am Ende dieser Analyse im Videoformat eingebettet wurde.

Das Atomkraftwerk Fukushima I. Im Vordergrund der Reaktorblock 1. (Copyright © Kawamoto Takuo, Lizenz: CC BY 2.0)

Japans Kernkraftwerk Fukushima Daiichi (Fukushima I) befindet sich 250 Kilometer nordöstlich der Millionenmetropole Tokio in der Präfektur Fukushima. Im Jahre 1971 wurde es erstmals in Betrieb genommen und ist daher das älteste Kernkraft des privaten Energiekonzerns Tokyo Electric Power Company (TEPCO). Der Kraftwerk-Komplex besteht aus sechs Reaktoren: Die Reaktorblöcke 1 bis 4 sind von den beiden Blöcken 5 und 6 räumlich getrennt, befinden sich jedoch allesamt in unmittelbarer Nähe zum Pazifik, dessen Meerwasser als sekundärer Wasserkreislauf zur Kühlung des Reaktors genutzt wird.

Alle sechs Reaktorblöcke basieren auf Siedewasserreaktoren, wie wir sie in unserem letzten Artikel vorgestellt haben. Der Reaktordruckbehälter, indem die Kernspaltung abläuft, ist von einer massiven Betonwand umgeben, die als primärer Sicherheitsbehälter dient. Die einzelnen Reaktorblöcke basieren auf einer Betonkonstruktion, die neben dem Druckbehälter auch ein Abklingbecken für verbrauchte Brennelemente beherbergt. Der obere Teil des Blocks ist eine Stahlkonstruktion mit Arbeitsbereichen und bildet zusammen mit der Betonkonstruktion den zweiten Sicherheitsbehälter.

Das Kraftwerksgelände wurde mit einer nur 5,70 Meter hohen Schutzmauer vor potentiellen Flutwellen für sicher erklärt, da der Baugrund der Reaktorblöcke 1 bis 4 um 10 Meter über dem Meeresspiegel erhöht wurde. Diese Fehlentscheidung, den Schutz nicht für außergewöhnlich drastische Seebeben auszubauen, sowie die unvorteilhafte Lage der Notstromgeneratoren und andere elektrischer Systeme im Untergeschoss der Reaktorgebäude, waren neben dem eigentlichen Beben Hauptursachen der Nuklearkatastrophe.

Der Querschnitt eines Kernreaktors, wie er in Fukushima I verbaut wurde.

Am Freitag, dem 11. März 2011, ereignete sich das Tohoku-Erdbeben um 14.46 Uhr Ortszeit und führte innerhalb weniger Sekunden durch die automatisierten Schutzmaßnahmen zum Abschalten der Kernreaktoren in Fukushima I. Von der Schnellabschaltung waren die Blöcke 1 bis 3 betroffen, während die restlichen Blöcke aufgrund von Wartungsarbeiten nicht in Betrieb waren. Ungeachtet der verheerenden Flutwelle erfuhr die Mehrheit der Reaktorblöcke durch das Seebeben eine Erschütterung über ihren Belastungsgrenzen. Die Folgen sind geplatzte Rohrleitungen, die nach Vermutungen des Bedienungspersonals den Kühlkreislauf beschädigten, sowie ein Defekt der Schaltanlagen. Die Stromversorgung des Kernkraftwerks brach daraufhin zusammen und startete 12 der insgesamt 13 Notstromaggregate. Weitere Folgen des Bebens sind der Ausfall von Kommunikationssystemen, der Gebäude-Beleuchtung, elektrischen Türöffnern und Messgeräten zur Auswertung der aktuellen Strahlenbelastung des Personals.

Nach nur zwei Minuten, um 14.48 Uhr Ortszeit, wurden die Reaktoren 1 bis 3 heruntergefahren und die Steuerstäbe vollkommen zwischen die Brennstäbe geschoben. Die Kühlung der Reaktoren war ab diesem Zeitpunkt vollständig von den elektrisch betriebenen Kühlwasserpumpen und den Notstromgeneratoren abhängig. Mit zu erwähnen sei an dieser Stelle, dass der komplette Komplex von Fukushima I nicht an das vorhandene Tsunami-Warnssystem angeschlossen war und demzufolge keine Frühwarnung erhielt. Aufgrund des mangelnden Ausbaus der Schutzmauern im Meer reichten bereits die ersten, etwa vier Meter hohen Wellen aus, die hinter den Mauern angebrachten Meerwasserpumpen zu zerstören. Als schwerwiegende Folge zeichnete sich der Ausfall der regulären Kühlung aller Reaktoren, der Abklingbecken und der neun wassergekühlten Notstromgeneratoren ab. Nachdem der Tsunami die Anlage erreicht hatte, fegte dieser angesichts seiner 13 bis 15 Meter hohen Wellen über die Schutzmauern hinweg und ließ die mehrere Meter unter Wasser stehenden Reaktorblöcke 1 bis 4 zurück. Diese Überschwemmung hatte den Ausfall aller Notstromgeneratoren zur Folge, sodass die Kühlung von Reaktoren und Abklingbecken nicht mehr aufrecht erhalten werden konnte.

Eine Luftaufnahme des Atommeilers Fukushima Daiichi aus dem Jahre 1975. (Copyright © Ministry of Land, Infrastructure, Transport and Tourism of Japan)

Die folgenden Stunden sind von zahlreichen Pannen und Versorgungslücken geprägt, während das Personal darum bemüht war, die Notkühlung mit Notstrombatterien aufrechtzuerhalten. Die Kühlung konnte nur noch wenige Stunden gewährleistet werden und fiel gegen 17.00 Uhr Ortszeit vollkommen aus. Die Reaktoren begannen sich allmählich zu erhitzen und sorgten durch die Überschreitung ihrer Grenzwerte zur Dekalibrierung der Messinstrumente. Von da an war die Einschätzung des Kühlwasserstands und die Temperatur innerhalb des Druckbehälters ausschließlich von Vermutungen und Schätzungen geprägt. Der Kernkraftwerksbetreiber TEPCO meldete einen nuklearen Notfall an das Wirtschaftsministerium und die japanische Atomaufsichtsbehörde und forderte die Unterstützung durch mobile Notstromgeneratoren. Die Arbeiter versuchten manuell, den Druckbehälter durch die Öffnung von Ventilen zu entlasten, da die Brennstäbe zur Überhitzung neigten und das Kühlwasser unkontrolliert verdampfte. Außerdem versuchte man der mangelnden Kühlung durch Feuerlöschpumpen Abhilfe zu schaffen. Erste Vermutungen gingen zu dieser Zeit bereits von freiliegenden Brennstäben aus, die aufgrund der starken Temperaturentwicklung zu schmelzen begannen. Um 19.03 Uhr rief die japanische Regierung mit Hinblick auf die Meldung TEPCOs den nuklearen Notstand aus, beteuerte aber, es handle sich um reine Vorsichtsmaßnahmen und es trete kein radioaktives Material aus.

Die Reaktorblöcke 2 und 3 verharrten in einem stabilen Zustand, da die Notkühlung durch das Eintreffen mobiler Notstromgeneratoren gewährleistet werden konnte. Der Druck im Druckbehälter von Block 1 stieg hingegen weiter an. Infolge der freiliegenden Brennstäbe liefen unterschiedliche chemische und physikalische Prozesse im Reaktor ab und führten zur Bildung von Wasserstoff. Der Druckbehälter konnte der Belastung nicht mehr standhalten und gab durch entstehende Lecks radioaktives Material und Wasserstoff in den Sicherheitsbehälter ab. Da der Anstieg der Temperatur und das Verdampfen des Kühlwassers nicht unterbunden werden konnte, stieg auch im Sicherheitsbehälter der Druck. Im Vordergrund des Personals stand die Aufgabe, für eine Druckentlastung des Sicherheitsbehälters zu sorgen. Jedoch war unklar, ob eine Entlastung als ungefährlich eingestuft werden konnte, da die Freisetzung von radioaktivem Material befürchtet wurde. Außerdem ließen sich die elektrischen Ventile durch den Zusammenbruch der Stromversorgung nur manuell betätigen. Der Druck des Sicherheitsbehälters erreichte einen Wert fern seines zulässigen Grenzbereichs und ließ durch nachgebende Dichtungen radioaktive Partikel in das Reaktorgebäude entweichen. Infolgedessen ließ die japanische Regierung im Umkreis von drei Kilometern das Gebiet um das Kernkraftwerk evakuieren.

Grafische Auswertung des Druckniveaus innerhalb der Sicherheitsbehälter

Trotz der geglückten manuellen Druckentlastung des Reaktors 1 kam es am 12. März gegen 15.30 Uhr zu einer Wasserstoffexplosion. Der Sicherheitsbehälter blieb intakt, doch wurden Teile des Gebäudes und der oberen Stahlkonstruktion zerstört. Erste Versuchen wurden durchgeführt, den Reaktor 1 mit Meerwasser zu kühlen. Premierminister Naoto Kan ordnete des Weiteren an, die Evakuierungszone auf einen Umkreis von 20 Kilometern auszuweiten. Die Notkühlung fiel bei Reaktor 2 und 3 mehrfach aus und konnte bei Letzterem nicht mehr aufrechterhalten werden. Der Reaktor durchlief daher denselben Prozess, wie Reaktor 1 zwei Tage zuvor. Die Kühlflüssigkeit verdampfte unkontrolliert, die Kernschmelze setzte ein und durch einen hohen Druckaufbau geschah auch in Reaktor 3 am 14. März um 11.00 Uhr Ortszeit eine Wasserstoffexplosion mit ähnlichen Auswirkungen. Am selben Tag konnte auch die Notkühlung von Reaktor 2 nicht aufrechterhalten werden. Die Brennstäbe lagen vereinzelt frei, sodass eine Kernschmelze erfolgte. Vereinzelte kleinere Wasserstoffexplosionen und Brände in den Reaktoren 2 und 4 durchzogen die nächsten Tage, doch entwickelte sich durch die allmähliche Wiederinbetriebnahme der Notkühlungen ein als stabil zu wertender Zustand der Reaktoren.

Zu vernachlässigen ist allerdings nicht, dass alle drei Reaktoren den Prozess einer Kernschmelze durchliefen, wie es TEPCO erst Monate später öffentlich bestätigt. Der exponentielle Anstieg der Strahlenbelastung durch das Ausweichen von radioaktiven Partikeln rund um das Gelände von Fukushima Daiichi war ein enormer Gefahrenfaktor für die Arbeiter. Entwickelte sich die Strahlenbelastung zu Beginn des Unglücks nur mäßig, erreicht diese am 15. März einen bisher unerreichten Höchstwert von 900 Millisievert pro Stunde. Zum Vergleich: Ab einer Gesamtdosis von 500 Millisievert treten akute Strahlenkrankheiten auf, während bei einer Dosis von 1000 Millisievert bereits zehn Prozent der Betroffenen innerhalb der folgenden 30 Tage versterben. TEPCO ordnete daher den Rückzug aller Mitarbeiter vom Gelände an, die nicht unmittelbar mit der Kühlung der Reaktoren beschäftigt waren. Von 800 Tepco-Mitarbeitern verblieben 50 Personen, zusammen mit Soldaten, Helfern von Feuerwehrkräften und anderen Organisationen.

Grafische Übersicht der Strahlenbelastung von Fukushima Daiichi

In den folgenden Wochen und Monaten gelang es den Mitarbeitern schließlich, die Kühlung auf ein Maß zu stabilisieren, dass die Kernschmelzen der Reaktoren 1 bis 3 gestoppt werden konnten. Die Sorge bestand fortwährend, dass sich die Masse aus geschmolzenen Brennstäben in den Betonboden des Reaktorgebäudes frisst und direkten Kontakt mit der Umwelt erzeugt. Zudem musste die Kühlung der Abklingbecken stabilisiert werden, die noch immer aktive Brennstäbe beherbergten. Spätestens mit der Wiederherstellung der Stromversorgung kehrte ein Teil der Normalität zurück, mit der das Personal vor dem Unglück vertraut war. Die Kühlung schien sich zu stabilisieren, sodass die Reaktoren zu ihrem Normalzustand fanden, auch wenn dieser Prozess von langer Dauer geprägt war. Die Kühlkreisläufe ließen sich andererseits nicht instand setzen, da das radioaktiv kontaminierte Wasser eine Wiederinbetriebnahme der Turbinen nicht zuließ. Die externe Kühlung mit Meer- und Süßwasser wurde deshalb zur Routine.

Der Austritt von kontaminiertem Wasser in den Pazifik beschäftigte TEPCO für einige Wochen, da nicht nur Flora und Fauna davon betroffen, sondern die komplette Schifffahrt um Japan gefährdet war. Erst Anfang Mai wurde man diesem Problem habhaft, in dem Austrittsstellen mit Beton versiegelt und große Wassermengen abgepumpt wurden. Ab Juni wurden die Schäden an den Reaktoren überschaubar. Mittels Computersimulationen konnte errechnet werden, dass alle drei Druckbehälter einen sogenannten „melt-through“ erfahren haben. Dies bedeutet, dass Teile des geschmolzenen Reaktorkerns den Druckbehälter durchbrochen haben, aber vom Sicherheitsbehälter so weit wie möglich aufgehalten wurden. Nach einem weiteren Monat konnte schließlich eine Wasser-Dekontaminationsanlage in Betrieb genommen werden. Dadurch kam man dem Ziel zur Wiederherstellung der Kühlkreisläufe erheblich näher.

Die Reaktoren 1 bis 4 am 16. März 2011 um 9.45 Uhr Ortszeit. (Copyright © Digital Globe, Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Im September 2011 kehrte die Normalität in Tohoku allmählich zurück. Die Evakuierungsgrenzen wurden aufgehoben und erste Baumaßnahmen zur Abwehr der Meereskontamination wurden geplant, während sich die Reaktoren 1 bis 3 bei einer stabilen Temperatur von 100°C einfanden. Wenige Wochen später wurde eine Hülle für das Reaktorgebäude 1 fertiggestellt, um die radioaktive Emission um 90 Prozent zu mindern. Zum Ende des Jahres 2011 wurde der „cold shutdown“ bestätigt. Sämtliche Unglücksreaktoren von Fukushima I konnten auf eine Temperatur von stabilen 100°C heruntergekühlt werden. Außerdem bestätigt TEPCO erstmals den Eintritt der Kernschmelzen in allen drei Reaktoren. In Block 1 konnte sich die radioaktive Masse mehr als einen halben Meter in den Beton des 10-Meter-starken Sicherheitsbehälters fressen. Kurz vor der Bestätigung erhielten Journalisten erstmals Zugang zu dem Komplex.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mittels erhöhter Sicherheitsvorkehrungen, auf die wir zu Anfang dieser Analyse zu sprechen kamen, die meisten Schäden hätten vermieden werden können. Der Tsunami machte den Großteil der Sicherheitsvorkehrungen zunichte, unterbrach den bitter notwendigen Stromkreislauf zur Stabilisierung der Kühlung und löste deshalb auf indirektem Wege die Kernschmelze aus. Als Ursache geht also ein Naturphänomen hervor, dem sich Japan seit Jahrhunderten bewusst ist. Dieses Urteil fällen nicht nur wir, es ging auch aus der Auswertung diverser Expertenkommissionen hervor, die den Energiekonzern TEPCO hart kritisierten. Die IAEO veröffentlichte einen Bericht, der die Vorgehensweise, das Krisenmanagement und die Informationspolitik des Konzerns bemängelte. Aufgeführt wurden unter anderem die Unterschätzung des Tsunamirisikos, fehlende Notfallausrüstung und -planung, sowie die unzureichende Sicherheitsauslegung der Reaktoren und Betriebsvorgänge.

Nach einer Erklärung der japanischen Regierung vom 20. März 2011 sollte das Kraftwerk ganz aufgegeben werden, doch lagen bereits Pläne vor, zwei weitere Reaktorblöcke zu errichten. Nach der Katastrophe wurde dieses Vorhaben jedoch verworfen. Auch wenn die Reaktorblöcke 5 und 6 noch funktionsfähig sind, möchte die japanische Regierung das Kernkraftwerk Fukushima I vollständig stilllegen. Bis 2040 sollen die Blöcke 1 bis 4 abgerissen werden.

Weitere Quellen: physikblog.eu